1810. Der Kundenbrief von Ehinger & Cie.

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Kundenbrief Nº 13

«Zwei Drittel der Bundesausgaben sind bereits gebunden.»

Oliver Ehinger/ N⁰ 13 / Januar 2024

«Zwei Drittel der Bundesausgaben sind bereits gebunden.»

Nicht nur die deutsche «Ampel»-Regierung bekundet Mühe mit der Erstellung eines ausgeglichenen Budgets. Auch in der Schweiz tun sich Regierung und Parlament schwer damit und haben diesen Herbst ihr eigenes Schauspiel an Budget-Akrobatik geboten.

Angesichts der Sparunfähigkeit bzw. -unwilligkeit des Parlaments ist kürzlich auch bei uns ein kurioser Versuchsballon gestartet worden; nämlich die Erhöhung der Militärausgaben als «ausserordentlich» zu erklären, um sie so an der Schuldenbremse vorbeizuschmuggeln. Dabei kann man eine solche Erhöhung der Verteidigungsausgaben weder als ausserordentlich noch als unvorhersehbar betrachten. Der Hintergrund dafür ist, dass die Schweiz nach dem Ende des Kalten Krieges ihre Militärausgaben von 1,6% auf noch magere 0,6% des BIP reduziert und somit eine gigantische Friedensdividende eingeheimst hat.
Warum ist es so schwierig, diesen elementaren Ausgabenposten wieder ganz sachte nach oben anzupassen? In den letzten Jahrzehnten hat es die Schweizer Politik fertiggebracht, praktisch zwei Drittel der Bundesausgaben (via Gesetze) fest zu binden, sodass der noch frei verfügbare Anteil der Bundesmittel laufend geringer geworden ist. In diesen freien, nicht gebundenen Teil müssen sich Aufgabenbereiche wie die Landesverteidigung, die Landwirtschaft, das Asylwesen, das Hochschulwesen und andere teilen. Mit rund 30 Milliarden Franken, einem knappen Drittel des ganzen Bundeshaushalts, ist die soziale Wohlfahrt nicht nur der grösste gebundene Teil, sondern auch der am schnellsten wachsende. Davon machen allein die Bundeszuschüsse an die AHV über 10 Milliarden aus.
Und mit Reformen dieses ältesten Sozialwerks der Schweiz tut sich nicht nur die Politik, sondern auch die Bevölkerung äusserst schwer. Die von den Jungfreisinnigen lancierte Volksinitiative zur Erhöhung des Rentenalters auf 66 Jahre mit anschliessender Koppelung desselben an die steigende Lebenserwartung wird nämlich von Bundesrat und Parlament zur Ablehnung empfohlen. Eine Erhöhung des Rentenalters mag man der Bevölkerung nicht zumuten!
Leichter hat es da die Gewerkschaftsinitiative für eine 13. AHV-Rente, die gemäss Umfragen hohe Zustimmungswerte geniesst und zeitgleich mit der Renteninitiative im März 2024 zur Abstimmung kommen soll. Eine Antireform sozusagen und eine Absurdität sondergleichen, da zum einen vollkommen unfinanziert und somit bestens geeignet, das Sozialwerk vollends zum Kollaps zu bringen. Und zum anderen eine Giesskannen-Ausgabe der übelsten Sorte, die jährlich unglaubliche 5 Milliarden Franken kostet.
Dieses AHV-Beispiel zeigt, dass die Verteilkämpfe auch bei uns zusehends zäher werden. Die bisherige schweizerische Zurückhaltung weicht allmählich dem finanzpolitischen Schlendrian unserer Nachbarländer.